Sprachsensibler Unterricht
…die Schüler*innen bedeutet:
Die Schüler*innen beherrschen aktiv die Lesestrategien, die in der Schule trainiert werden. Dabei kommt der Fünf-Schritt-Lesemethode besondere Bedeutung zu. Sie wird fächerübergreifend und stufenübergreifend angewandt. Die Schüler*innen antworten im Unterrichtsgespräch in ganzen Sätzen.
Außerdem nutzen die Schüler*innen nicht nur selbstständig Wörterbücher wie den Duden, um Verständnisfragen zu klären, sondern sie notieren sich diese Wörter auch in ein Vokabelheft. In diesem Vokabelheft, das in jedem Fach benutzt werden kann, werden Wörter notiert, über die man im Unterricht stolpert, und die man nicht versteht, so z.B. in Mathe das Wort Dachgiebel oder in Geschichte das Wort der Rechen. Dieses Vokabelheft wird jeden Tag mit in die Schule genommen. Die Wörter werden alphabetisch notiert.
…die Lehrer*innen bedeutet:
Die Lehrkräfte aller Fachbereiche unterstützen die Schüler*innen beim Führen des Vokabelhefts, indem sie systematisch unbekannte Wörter an die Tafel notieren (z.B. immer die rechte Tafelseite). Ein wichtiger Faktor, der den Aufbau einer Bildungssprache begünstigt, ist Zeit.
Die Lehrkräfte sind sich dessen bewusst, dass Sprache Raum und Zeit braucht. Sie geben den Schüler*innen Zeit, um ganze Sätze zu schreiben, um zu lesen und den Text mithilfe der Fünf-Schritt-Lesemethode zu verstehen. Sie nehmen sich Zeit, um nachzufragen und sie geben gleichzeitig den Schüler*innen Zeit, Fragen zu stellen. Manche Lerner*innen brauchen im Fachunterricht Unterstützung beim Schreiben von Sachtexten. Das geht mit sogenannten Scaffolds (Wörter-/ Textgerüste) für den schriftlichen und mündlichen Ausdruck.
Beispiele hierfür sind: nach einem Mustertext schreiben lassen, mit Versatzstücken arbeiten, mit Fragerastern schreiben usw. Die Lehrkräfte tragen durch einen kreativen Umgang mit Texten dazu bei, dass nicht nur das inhaltliche, sondern auch das sprachliche Wissen gefestigt werden. Eine Methode ist zwischen verschiedenen Darstellungsformen zu wechseln, also von einem Text zu einem Flussdiagramm usw.
…die Eltern bedeutet:
Die Eltern gehen mit der Schule eine Bildungspartnerschaft bzgl. der Sprachförderung ein. Konkret bedeutet das, dass sich auch die Eltern im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die sprachliche Förderung ihrer Kinder engagieren. Das kann beispielsweise durch Vorlesen oder gemeinsames Lesen mit den Kindern geschehen.
Der Ratgeber Bildungssprache (wird am Anfang des Schuljahres an die Eltern ausgeteilt) für Eltern kann hier weitere Anregungen geben. Dazu kommt, dass die Eltern sich an Aktionen, wie zum Beispiel an Leseabenden, beteiligen und/oder diese unterstützen. Nur wenn die sprachliche Förderung an der Schule und zuhause ineinandergreifen, kann unser Ziel, eine an den Fachsprachen und der Bildungssprache orientierte Schulsprache zu entwickeln, gelingen.
Die Fünf-Schritt-Lesemethode
Schülerinnen und Schüler wissen oft nicht, wie sie mit einem Text richtig umgehen sollen. Es fällt ihnen schwer, Texte effizient zu lesen und wichtige Informationen zu entnehmen. Oft mangelt es hierbei an einer methodisch sinnvollen Strategie, um sich Inhalte gezielt zu erschließen.
Die Fünf-Schritt-Lesemethode ermöglicht durch ihre Teilschritte eine systematische und konzentrierte Auseinandersetzung mit Texten. Zunächst müssen hierfür die einzelnen Schritte eingeübt werden. Sowohl das Überfliegen des Textes, das Fragen stellen an den Text, das genaue Lesen und das Zusammenfassen und Wiederholen sind in aufbauender Form zu üben und zu festigen.
Erst nachdem alle Teilschritte sicher beherrscht werden, ist es sinnvoll, die Methode anzuwenden. Die Fünf-Schritt-Lesemethode muss immer wieder geübt werden, um sie zu automatisieren. Nur auf dieser Grundlage ist dann eine Analyse, Interpretation oder Beurteilung von Texten möglich.
Die Fünf-Schritt-Lesemethode
1. Überfliege den Text und verschaffe dir einen Überblick!
Lies die (Zwischen-)Überschrift und mache Dir ihre Bedeutung klar.
Achte auf Wörter im Text, die hervorgehoben sind.
Stelle fest, was Dir bekannt ist und was nicht.
Überlege, wovon der Text im Großen und Ganzen handelt.
2. Stelle Fragen!
Stelle Fragen, die von dem Text beantwortet werden können. Verwende die W-Fragen: Wer? Was? Wann? Warum? Wo? So weißt du, worauf du beim Lesen achten kannst.
Lies dir die Aufgabenstellung zum Text genau durch.
3. Lies gründlich!
Kläre unbekannte Begriffe mithilfe eines Fremdwörterlexikons oder ähnlichem.
Markiere wichtige Stellen. Benutze verschiedene Farben.
Markiere dir unverständliche Passagen mit einem Fragezeichen.
Notiere Schlüsselwörter und/oder formuliere Überschriften für einzelne Textabschnitte.
Bearbeite schwierige Abschnitte mehrmals.
4. Fasse Wichtiges zusammen!
Fasse den Inhalt des Textes abschnittweise zusammen.
Verwende eigene Formulierungen und verknüpfe die Sätze mithilfe von Einleitewörtern.
Du kannst auch eine Mindmap oder eine Skizze erstellen.
5. Wiederhole!
Wiederhole die Informationen des ganzen Textes mit eigenen Worten.
Trage die Zusammenfassung als Übung jemandem laut vor.
Du kannst dein Wissen auch in Form eines Plakats darstellen.
Das Wörterbuch
Schüler*innen erhalten im Unterricht die Möglichkeit, selbständig Begriffe, die ihnen unbekannt sind, nachzuschlagen.
In jedem Klassenzimmer und Fachraum liegt deshalb ein Wörterbuch, das die Schüler*innen bei Bedarf nutzen können. Die Schüler*innen tragen die ihnen unbekannten Begriffe anschließend in ihr Vokabelheft ein.
Das Vokabelheft
Zur Schaffung eines Grundwortschatzes und zur Förderung der Sprachlernkompetenz legen die Schüler*innen ein Vokabelheft an. Dieses Vokabelheft wird fächerübergreifend genutzt. Primär sollen in das Vokabelheft deshalb keine fachspezifischen Begriffe eingetragen werden, sondern solche, die für die deutsche Bildungssprache als Grundwortschatz wichtig sind.
Die Schüler*innen führen das Vokabelheft individuell und tragen ihnen unbekannte Begriffe, die im Unterricht geklärt werden oder die sie selbständig im Wörterbuch nachschlagen, ein.
Neben einer Erklärung des Begriffs haben die Schüler*innen die Möglichkeit, in der 3. Spalte unterschiedliche Bedeutungen des Begriffs in verschiedenen Fachrichtungen, Besonderheiten in der Verwendung des Begriffs, Bedeutung in anderen Sprachen, usw. anzumerken.
Das schuljahrübergreifende und alphabetisch strukturierte Vokabelheft wird zuerst in Klasse 5 für alle Schüler*innen verpflichtend eingeführt. Anschließend soll über den verbindlichen Einsatz in weiteren Klassenstufen entschieden werden.
Die Bildungssprache
Die Bildungssprache unterscheidet sich dahingehend von der Alltagsprache, dass sie in jeglichem Bildungskontext verwendet werden kann. Sie vermittelt zwischen der Alltags- und der Fachsprache und wird für den interdisziplinären (Schrift-)Verkehr verwendet.
Sie beinhaltet viele Elemente der Schriftsprache und ist ein Mittel oder Vehikel, das in allen Bildungsprozessen eingesetzt wird. Somit ist die Bildungssprache ein „Bildungskapital" und ermöglicht den Schüler*innen lebenslanges Lernen.
Das Scaffolding
Manche Schüler*innen können besser schreiben, andere hingegen schlechter. Im Fachunterricht aber wird verlangt, dass jede/r Schüler*in das Schreiben von (Sach)texten angemessen können muss.
Wie die Erfahrung zeigt, ist das „Schreibenkönnen“ ebenso wie das „Lesenkönnen“ erlernbar.
Beim Schreibenlernen bieten Schreibstrategien [= Scaffolding] eine gute Unterstützung.
Was ist Scaffolding?
Ganz allgemein bezeichnet Scaffolding eine Form der sprachlichen Unterstützung. Der Ursprung dieses Begriffs liegt in der Erforschung des natürlichen Erstspracherwerbs, der Psycholinguistik. Im Rahmen von Studien konnte aufgezeigt werden, dass kompetentere Sprecher*innen in Gesprächen mit Kleinkindern ihre Sprache nach dem Kind ausrichten.
Sie bauen ein vorübergehendes Sprachgerüst (scaffold) auf, um die Sprachkompetenz ihres kindlichen Gesprächspartners zu erweitern.
Scaffolding ist zukunftsorientiert. Es ist eine vorübergehende Hilfe, um den Aufbau neuer Konzepte und sprachlicher Mittel zu unterstützen und befähigt Lernende somit neues Wissen aufzubauen.
Scaffolding ist damit keine unmittelbare Hilfe, sondern ein Unterstützungssystem, welches das sprachliche Lernen parallel zum fachlichen Lernen unterstützt.
Grundlegend ist der Gedanke, dass sprachliche Anforderungen nicht vereinfacht werden, um curricular festgelegtes fachliches Lernen zu ermöglichen. Stattdessen wird das Kind unterstützt, herausfordernde und verständnisorientierte Inhalte in der Bildungssprache zu verstehen und zu formulieren.
Damit wird eine langfristige Befähigung erreicht, welche das Fundament für eine nachhaltige Partizipation bildet.
Beispiele für Methoden des Scaffolding/Schreibstrategien:
- Nach einem Mustertext schreiben
- Mit Versatzstücken schreiben
- Mit anderen gemeinsam schreiben
- Darstellungsformen vertexten
- Mit Schreibhilfen schreiben
- Einen gegebenen Text anpassen
- Mit einer vorgegebenen Gliederung schreiben
- Verschiedene Texte zum Thema nutzen
- Nach einem Frageraster schreiben
- Nach einem Schreibplan schreiben
Vornehmlich die ersten fünf Schreibstrategien sind für DaZ-Lerner*innen geeignet.
Mit zunehmender Strategienummer steigen die Ansprüche an die Eigentätigkeit der Leser*innen. Kriterien für die Auswahl der Schreibstrategie sind:
- die jeweilige Schreibkompetenz der Schreiber*innen,
- die schreibdidaktische Absicht,
- die Textsorte und
- der im Unterricht zu behandelnde fachliche Inhalt.
Praxisbeispiele für Scaffolding in verschiedenen Unterrichtsfächern findet man z.B. hier:
https://www.uni-potsdam.de/fileadmin/projects/inklusion/PDFs/ZEIF-Blog/Skerra_2018_Scaffolding.pdf
Die Fachsprache
Die Fachsprache bezeichnet eine Sprache, die für einen speziellen Bereich entwickelt wurde. Jede Fachsprache hat ihre eigenen Begriffe und Textformen.
„Zur Fachsprache zählen jene spezifischen Ausdrucksmittel, die innerhalb einer fachlichen Disziplin bzw. eines fachlichen Diskurses verwendet werden, darunter auch nonverbale Zeichen wie etwa Symbole, Formeln und Grafiken.
Die Sprache eines Faches ist ein wahres Multifunktionstool und erfüllt gleichzeitig verschiedene Funktionen: Sie ist die zu erwerbende Grundlage und gleichzeitig Lern- und Reflexionsgegenstand, Lernmedium und Kommunikationsmittel. Hinzu kommt, dass die Leistungsüberprüfung auch in der Fachsprache stattfindet.
Die Bildungspartnerschaft
Der Begriff „Bildungspartnerschaft“ bezeichnete am Anfang eine Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und der Schule. Heutzutage hat sich der Begriff geweitet.
Eine Bildungspartnerschaft ist eine Zusammenarbeit von Institutionen (z.B. Schule), Eltern, Kindern und anderen Partnern (z.B. Vereine) aus dem sozialen Umfeld der Kinder.
Ziel dieser Zusammenarbeit ist es, eine Umgebung zu erschaffen, in der Kinder und Jugendliche beim Lernen und bei ihrer Entwicklung gefördert werden, sich sprachlich entfalten und ihre Bildungssprache aufbauen können.